Berichte von 02/2016

12Februar
2016

Wie ich fasten wollte und auf voller Linie versagte...

Shalom,

Wie vielen bewusst sein wird, hat am Aschermittwoch die Fastenzeit begonnen. Da hier auch einige fasten (Alkohol, vegan, etc), dachte ich mir, ich schließe mich dem an und probiere das auch mal aus.

Erst einmal bin ich hier vegetarisch geworden. Zwar schon seit letzter Woche, also nicht passend zur Fastenzeit, aber der gute Wille zählt. Der Grund ist, dass das Fleisch, das wir hier haben, alles andere als bio ist. Als dann auch noch ein LKW mit Hühnerkäfigen an der Ampel neben mir gehalten hatte, wobei man nicht sicher sagen konnte, ob die Tiere noch lebten, war die Entscheidung gar nicht so schwer.😮

Jetzt, zur richtigen Fastenzeit, habe ich mich entschlossen, auf Schokolade zu verzichten. Ganz schön grausam, aber ich möchte jetzt mal nichts dramatisieren. 😛Der Plan war, Dienstag Abend die letzte Ration Schoki für eine ganze Weile zu haben. Gesagt getan, mit David, einem Volontär, ging´s zu einem Tante-Emma-Laden in Beijallah, wo ich mir meine letzten beiden Schokoriegel kaufte.

Am nächsten Tag, hatte ich meinen neuen Grundsatz schon ein bisschen vergessen, aber es gab ja keine Schokolade, sodass ich nicht in Gefahr war.

DENKSTE!!

Bei einem Gespräch mit einem Pastor in Ramallah wurden uns Snacks und Getränke angeboten. Da sag ich doch nicht nein, oder? Zack, ein, zwei kleine Croissants verdrückt und mit einem Becher O-Saft runtergespült.

Die nächste Konversation spiegelt in etwa das Geschehene wieder: (im Original auf englisch, hier übersetzt)

Rebecca: „Ich hätte echt noch eins von diesen Croissants essen können! Die waren lecker!“

David: „Ja, absolut. Ich hatte nur eins, aber das war wirklich lecker.“

– Seltsame Pause –

David: „Warte, wolltest du nicht auf Schokolade verzichten???“

Rebecca: „Oh ver(piiiiiiiiiiiiiieeeeeeeep), das habe ich komplett vergessen!!“😳

 

Was wie das Ende meiner Karriere als Fasterin wirkt, ist erst der Auftakt.

Als wir wieder in Nes Ammim angekommen waren, fand ich zu meiner Freude ein Päckchen vor, das meine Familie mir zum Geburtstag geschickt hatte. Wir wollen hier nicht die Zuverlässsigkkeit der deutschen Post anzweifeln und denken uns einfach, dass es versehentlich nicht per Luftpost, sondern per Esel/ Kamel/ Schildkröte transportiert wurde, was bewirkte, dass es etwa drei Wochen zu spät war.

Inhalt das Päckchens war unter anderem... na, wer hat´s erraten?

Gefühlte 10 Tafeln Schokolade...😫

Ironie? Schicksal? Die Bestrafung für die Schokocroissants?

Wer weiß das schon. Jetzt sitze ich hier mit meinem Versprechen an mich selbst, so lange wie möglich durchzuhalten und einer Box voll Schokolade.

Mit einem Tag Verspätung bin ich letztendlich auch in die Fastenzeit gestartet und schaue mal, wie weit ich komme. Wahrscheinlich werde ich in den nächsten sieben Wochen (oder wie lange das eigentlich geht..) süchtig nach irgendetwas anderem wie Sonnenblumenkernen, oder so, aber das ist ja gesünder.😀

 

Allen anderen, die sich durch die Fastenzeit quälen, arbeiten oder einfach nur fasten (oder halt gar nichts), wünsche ich viel Erfolg dabei und hoffentlich ein zufriedenstellendes Ergebnis.

 

Viele Grüße und Shalom,

Rebecca

PS: Ich bin jetzt schon wie auf Drogenentzug. Das Wissen, dass die Schokolade so nahe ist, macht es nicht einfacher!

12Februar
2016

Westbank, Palästina, Eretz Israel?

Shalom,

Wie schon angekündigt, war ich zuletzt auf dem dreitägigen Westbank-Seminar. Es hat mir einen besseren Blick auf die Situation gegeben und mir geholfen, den Konflikt ein bisschen mehr zu verstehen. Es war vor allem sehr spannend, eine andere Seite zu sehen.

Wir haben hier in Nes Ammim die priviligierte Möglichkeit, den Konflikt von allen Seiten zu sehen und uns so eine sehr differenzierte Meinung zu bilden. Dennoch hatte ich bisher nicht alle Seiten klar im Blick. Das ist auch jetzt noch schwer, so komplex wie die Situation hier ist, aber ich habe das Gefühl, durch das Seminar mehr Hintergrundwissen erhalten zu haben.

 

Warum habe ich diesen Artikel Westbank, Palästina, Eretz Israel genannt?

Nun, der geläufige Begriff für das Gebiet, das an den Osten Israels angrenzt, ist Westbank, oder auch Westjordanland, eine geographische Beschreibung, da das Gebiet im Westen Jordaniens liegt. Gläubige Israelis sprechen von Eretz Israel, dem verheißenen Land, in dem man viele heilige Stätten vorfinden kann, wie auch die Gräber von Abraham, Isaak, Jakob, Sarai, Rebecca und Lea.

Eigentlich sollte man aus Respekt vor den Gefühlen der arabischen Bevölkerung, die auch meist als Palästinänser betitelt werden, von Palästina sprechen. Manche Israelis reagieren sehr snobistisch, wenn man von Palästina spricht und verleugnen dessen Existenz.

Ich spreche tatsächlich meistens von Westbank, eine angewöhnte Sache. Als wir vor Ort waren, habe ich angefangen von Palästina zu sprechen, gerade, um den Bewohnern entgegen zu kommen. Um Neutralität zu wahren, werde ich vermutlich bei Westbank bleiben. Dennoch finde ich es wichtig, dass man sich des Unterschieds bewusst ist.

 

Nun, zum Seminar:

Wir hatten unser Hauptquartier in Beijallah in einem Hostel. Von dort aus unternahmen wir Ausflüge innerhalb der Westbank. Unter anderem nach Bethlehem, Hebron und Ramallah.

 

Einer dieser Ausflüge hat uns zu einem Settler geführt. Settler sind (eher stark gläubige) Israelis, die im palästinänsischen Gebiet ansiedeln, meistens unter dem Vorwand, auf dem Gebiet Eretz Israels leben zu wollen, also auf dem Gebiet, das ihnen die Bibel verspricht. Die allgemein verbreitete Ansicht zu diesen Settlements ist, dass Israel Land stiehlt.

Das Gespräch mit diesem Settler war sehr interessant. Seine Begründung, warum er auf dem Gebiet Palästinas leben will, ist die, dass er sich hier zu Hause fühlt. Er zeigte uns die archäologische Stätte einer alten Weinpresse, mit der er belegte, dass das jüdische Volk schon vor Ewigkeiten hier gewesen sei. Es war also ein Akt der Rückkehr in das versprochene Land. Für ihn entschuldigt das die Tatsache, dass neue Settlements Landgewinn Israels in Palästina darstellen.

Wir hatten auch ein Gespräch mit einem palästinänsischen Flüchtling. Dieser erzählte uns von seiner Vision, die er schon von seinem Vater mitbekommen hatte, in der Zukunft wieder zu ihrem alten Haus zurückzukehren, aus dem sie Dank einem der Kriege mit Israel vertrieben wurden. Symbolisch dazu behält er den Schlüssel zur Türe seines Hauses, mit der Hoffnung auf eine Rückkehr.

 

Thematisch ging es bei beiden um den Akt der Rückkehr nach Hause, sogar die Argumente ähnelten sich. Man wurde vertrieben, man besitzt das Recht (Schlüssel bzw. Bibel), zurückzukehren, kann es aber nicht, weil die Heimat in einem anderen Land ist.

Für die Settler ist das einfacher zu bewerkstelligen. Mit einer Regierung im Rücken, die Settlements gegenüber positiv eingestellt ist, die in Palästina vor allem mit Militärpräsenz agiert und so „mächtiger“ wirkt, können sie freier handeln.

Die Flüchtlinge, die schon in dritter Generation in Palästina leben und sogesehen eigentlich gar keine Flüchtlinge im klassischen Sinn sind, haben es hier schwerer. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ihr Wunsch nach Rückkehr je erfüllen wird, erscheint in der heutigen Situation eher gering. Befremdlich ist aber, dass sie sich in Palästina gar nicht erst ein Leben aufbauen wollen. Sie leben in Flüchtlingscamps, die mit ihren gut ausgestatteten Wohnungen eher Vororten als Camps ähneln und halten dennoch ihren Refugee-Status wie eine Identität nach oben, die ihnen übergestülpt wurde. Die Vision der Heimkehr hält sie davon zurück, sich ein eigenes Leben aufzubauen und beraubt sie so einer Heimat.

 

Das war zum ersten Mal ein sehr politisch gestalteter Eintrag und ich kann mir denken, dass manche nicht ganz überzeugt davon sind und mir gerne widersprechen wollen. Ich kann in diesem Artikel nur aufzeigen, was ich gesehen und erlebt habe. Ich habe versucht, mehr eine Betrachtung und nicht zu viel eigene Meinung einzuarbeiten.

Nach etwas mehr als einem halben Jahr in diesem Land habe ich verstanden, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern ganz schön viel grau. Dass das hier vielleicht nicht so klar erscheint, kann sein. Es darf aber nicht vergessen oder ignoriert werden. Gäbe es nur schwarz und weiß, wäre dieser Konflikt zu einfach und das ist er nicht.

Ich hoffe, der Artikel zeigt ein bisschen, wie unterschiedlich die Meinungen und Berichte auf den verschiedenen Seiten sind.

 

Viele Grüße und Shalom,

Rebecca

04Februar
2016

Barfuß im Februar

Shalom!

Was wie der Titel eines etwas vielleicht zu romantischen deutschen Drama-Film klingt, ist mein momentaner Zustand. Es ist Februar, ich bin barfuß. Okay, das klingt vielleicht nicht so toll wie es ist, aber es ist unglaublich! Auch wenn es ein eher warmer Tag verglichen zu den anderen ist, ich kann im T-Shirt in der Sonne sitzen und die nackten Zehen in die Luft strecken. 😛

Barfuß im Februar

Was sonst noch so bei mir passiert? Einiges.

Eigentlich komme ich gerade frisch erholt aus meinem Winterurlaub zurück. Den habe ich mit vier anderen Volontären in Tel Aviv und Jerusalem verbracht. Eigentlich hatten wir vorgehabt, nach Jordanien zu gehen, aber das hat nicht ganz so hingehauen. Jerusalem war die perfekte Alternative!

Nach einer mehr oder weniger Partynacht in Tel Aviv, ging´s nach Jerusalem, wo wir uns in ein Hostel einquartierten. In den vier Tagen sind wir durch die Altstadt gestreift, waren in Kultstätten, wie auf dem Tempelberg und der Grabeskirche, haben uns einen Spaß draus gemacht, auf den Märkten mit den Händlern zu feilschen und haben einfach mal eine Atempause von unserem Arbeitsalltag gehabt. Es war ein wunderschöner Urlaub mit genau den richtigen Leuten zur richtigen Zeit! 🙂

In Jerusalem v. links nach rechts: Ich, Wiebke, Lara, Philip, Johannes

 

Zurück in Nes Ammim, heißt es natürlich wieder „an die Arbeit“. In den letzten Monaten wurden die Lobby und die Küche renoviert, was ein ziemlicher Aufwand war und ist. Die Lobby ist fertig und sieht ziemlich cool aus.

Ich habe jetzt noch in einer weiteren Branche angefangen und arbeite jetzt im Büro als International Secretary. Das klingt ziemlich offiziell und auch sehr bürokratisch, macht mir aber sehr viel Spaß und ist sehr abwechslungsreich. Vor allem kümmere ich mich bisher um Versicherungen, die Post und Unterlagen von neuen und schon existierenden Volontären.

 

Übrigens habe ich jetzt schon Halbzeit. Seit knapp über sechs Monaten bin ich hier, wobei es sich schon so viel länger anfühlt. Man hat sich so sehr an alles gewöhnt, die Arbeit, die Umgebung und natürlich die Leute. Mir geht es immer noch gut, auch wenn man manche Dinge nicht mehr haben kann, wie zum Beispiel das Essen ( - ich weiß, dass ich im Sommer noch einen Beitrag darüber gemacht hatte, dass mir das Essen hier schmeckt), das doch sehr gleich ist. Im Großen und Ganzen bin ich glücklich.🙂

Dennoch plane ich schon für die Zukunft, schaue nach Universitäten, bzw Studiengängen, die mich interessieren. Es gibt ja auch noch ein Leben danach.😉

 

Als nächstes hier kommt erst mal das Westbank-Seminar, wo wir für drei Tage in die bestzten Gebiete, die Westbank fahren werden. Voraussetzung ist natürlich, dass die Situation ruhig genug ist. Ich bin sehr gespannt darauf, einen Einblick auf den Konflikt von dieser Seite zu haben.

 

Das war es auch wieder von mir, ich hoffe euch geht es gut!

Viele Grüße und Shalom,

Rebecca